Im Bundesstaat New South Wales in Australien leben die Bürger von Goulburn seit dem großen Spinnenregen noch immer in Angst und Schrecken, auch wenn sie keine ausgeprägten Arachnophobiker sind. Ihre ganze Stadt wurde von schleimigen Spinnennetzen überzogen. Noch heute fragen sich Wissenschaftler, wie es zu dem Spinnenregen kommen konnte.
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Wenn es Millionen Spinnen vom Himmel regnet
Zuerst hatte der „The Sydney Morning Herald“ davon berichtet. Ein Meer von Spinnennetzen bedeckte plötzlich die australische Kleinstadt Goulburn. Wie in alten Filmen von Alfred Hitchcock („Die Vögel“) wurden die Häuser der Stadt bei der Spinnenplage von den Spinnen übernommen. So jedenfalls beschrieben die völlig verängstigten Bürger in New South Wales die Spinnen-Invasion. Eklige kleine, schwarze Spinnen waren überall im Ort zu finden und bedeckten jeden freien Fleck. Das ist die Hölle für Arachnophobiker.
Der 4. Mai: Bauer Watson erzählt
In einem Interview mit dem Spiegel beschreibt der Bauer Ian Watson, wie das Horror-Erlebnis über ihn kam. Wer im australischen Busch sein Feld bestellt, ist bei Begegnungen mit wilden Tieren nicht mehr schockiert- Von Kängurus bis Schlangen bewegt sich so manches skurrile Geschöpf des Herrn auf der Farm des Australiers. Doch der Alltag des Ian Watson wurde jäh unterbrochen, als nicht nur die sonst friedlichen Spinnen auf seinem 500 Hektar großen Areal bei Goulburn bewegten. Das unvorstellbare Ereignis nahm am 4. Mai seinen Lauf.
Watson freute sich über das schöne Wetter nach mehrwöchigem Dauerregen. Er schaute zur Sonne, als er die Wäsche seiner vier Kinder aufhängen wollte. Er trat nach draußen und traute seinen Augen kaum. Alles, aber auch wirklich alles war mit einem weißen, klebrigen Film von Spinnweben überzogen. In den Bäumen, auf dem Auto, ja das ganze Haus auch. Und in der Luft bis hoch in den Himmel schwebten Spinnen, jede hatte einen gewebten Ballon aus Spinnfäden über sich, an dem sie durch die Luft schwebte.
Aber das war den Horror-Spinnen noch nicht genug. Die Spinnen stürzten sich auf Bauer Ian Watson und setzen sich auf seinem ganzen Körper fest, sogar in seinem Bart krallten sie sich fest.
Video: Spinnenregen in Brasilien
Nicht nur in Australien gibt es die Spinnenplage. Diese Video zeigt die ekligen Bilder der Spinnenschwärme am Himmel.
Nicht der erste Spinnenregen in Australien: Wagga Wagga schon 2012 von Spinnenplage erfasst
Bereits im Jahr 2012 traf die Spinnen-Invasion die Stadt Wagga Wagga in New South Wales am Murrumbidgee River. Die etwa 48.000 Einwohnern von Wagga Wagga werden regelmäßig von der Spinnenplage heimgesucht. „Engelshaar“ heißt der Spinnenregen in der größten Stadt im Inneren von New South Wales. Wenn die Spinnen die fünftgrößte Stadt im Inneren von Australien und dem Hauptort der Riverina heimsuchen, ist der ganze Ort von weißen Spinnweben überzogen.
Spinnenregen: von Mai bis Oktober
Der Spinnenregen sucht Australien regelmäßig heim. Im Sommer und in den Monaten direkt davor und danach ist die Luft am australischen Himmel oft von Spinnen erfüllt. Fallen die Spinnen dann in Scharen wie in Wagga Wagga oder Goulburn vom Himmel auf die Erde nieder, bedeckt alsbald ein weißer Teppich aus Spinnennetzen jeden freien Fleck Erde. „Engelshaar“ nennen die Australier dieses Horror-Schauspiel.
Wie kommt der Spinnenregen zustande?
Was ist Spinnenregen eigentlich? Fallen tatsächlich Spinnen vom Himmel? Die Erklärung ist ebenso einfach wie ungruselig, denn fast möchte man mit den Spinnen Mitleid haben. Die Spinnen flüchten vor dem Hochwasser. Dabei erklimmen sie regelmäßig Bäume, vor allem sehr hohe Exemplare. Dort nisten die Spinnen, um ihre Brut vom dem Hochwasser zu schützen.
Wenn die Jungspinnen schlüpfen, dann springen sie vom Baum herab zur Erde. „Ballooning“ nennen die Forscher das, was dann passiert. Als wären sie Fallschirmspringer, benutzen die Jungspinnen im Flug die Spinnennetze als Fallschirm. Oft werden die jungen Spinnen mit ihrem Spinnennetz-Fallschirmen im Flug von einem starken Wind erfasst. Der Wind trägt die Spinnen oft viele Meilen und Kilometer durch die Luft.
Wer in solchen Momenten zum Himmel aufschaut, sieht den Spinnenregen, der eigentlich kein Regen, sondern ein Spinnenschwarm ist. So entsteht der Eindruck, dass es Spinnen regnet.
Bei Bauer Ian Watson waren es Wolfsspinnen, die sich beim „Ballooning“ vom Wind forttreiben ließen. Dabei suchten sie vor den Regenfällen zu fliehen, die einer ihrer größten Feinde sind. Dazu schließen sich die Wolfsspinnen in großen Schwärmen zusammen.
Warum regnet es in Australien Spinnen?
Beim Spinnenregen benutzen Spinnen ihre Netze als Fallschirme. Je nach Wetterverhältnissen verlassen die Spinnen ihre Nistplätze in Bäumen und lassen sich vom Wind weit forttreiben. Die Netze der Tiere dienen dabei als eine Art Fallschirm. Forscher berichten, dass Spinnen auf diese Weise schon über 1.000 Kilometer weit geflogen sein sollen.
Wann ist Spinnen Saison in Australien?
Die Spinnen Saison ist der Sommer – also ab Oktober in Australien. Wenn jedoch die extreme Dürre über Wochen und Monaten anhält, beginnt die Spinnensaison später als sonst. Wenn dann noch der Regen ihre Netze wegspült, kommen die Tiere in die Häuser der Menschen.
Wie groß sind die Spinnen in Australien?
In Australien werden die Huntsman-Spinnen in der Regel über 20 Zentimeter groß. manche Exemplare wie die bekannte Huntsman-Spinne „Charlotte“ schafft es auf auf einen Durchmesser von 40 Zentimeter. Doch keine Angst: auch wenn die gigantischen Krabbler nach Horror aussehen, sie sind weder giftig noch sonderlich aggressiv. Huntsman Spinnen bauen übrigens keine Netze, sie gehen auf die Jagd. Die Beute der Huntsman Spinnen sind nicht nur Insekten, manchmal müssen auch kleine Säugetiere herhalten.
Sind in Australien so viele Spinnen?
In Australien leben etwa 10.000 Arten von Spinnen. Etwa 2.700 davon sind offiziell beschrieben. Doch die Zahl schreckt mehr als die Spinnen selbst. Nur wenige Familien dieser Spinnen gefährden den Menschen. Die meisten Arten sind völlig harmlos. Zwei Gruppen allerdings sind gefährlich. Es sind die Funnel web Spiders mit drei Arten von Spinnen und die Redback-Spiders. Die Mouse spiders können ernsthafte Beeinträchtigungen verursachen.
Die Familie der Funnel-web-spiders ist nur in Australien zuhause. Wissenschaftlich betrachtet gehören sie zur Familie der Atracidae. Diese hat 3 Gattungen. Die Gattungen Hadronyche mit 31 Spinnenarten und Atrax mit 3 Arten haben die gefährlichsten Spinnen hervorgebracht, auf die ein Mensch nur treffen kann. Ihr Gift ist ausgerechnet beim Menschen besonders tödlich, während das Gift bei Säugetieren wie Hunden oder Katzen fast gar nicht wirkt.
Der Name ist Programm: Atrax robustus ist die gefährlichste ihrer Art. Sie wird auch Sydney funnel web Spider genannt, denn sie lebt vor allem im Umkreis von 100 km um Sydney. Besonders tödlich ist das Gift des Männchens. Etwa 5-mal giftiger ist es als das Gift des Weibchens. Im Frühling und Sommer zieht es die Spinnen-Männchen in der Nacht aus ihren Schutzräumen hinaus, auf die Suche nach den Weibchen. Für die Bewohner von Sydney ist das ein bekannter Schrecken, denn die Männchen der Atrax robustus begegnen ihnen dann im Haus. Selbst im Wasser überleben diese Arten über viele Stunden. Bereits 13 Todesfälle gab es mit dem Atrax robustus, bis 1980 ein Gegengift entdeckt wurde. Jährlich kommt es zu 30 bis 40 Bissen durch Funnel web spider.
2021: Jahrhunderthochwasser löst Spinnen-Invasion aus
Die australische Ostküste wurde im Jahr 2021 von Überschwemmungen heimgesucht. Entlang der Ostküste retten sich viele Tiere vor den Fluten. Australier berichten bereits von einer riesigen Spinnenplage.
Politiker aller Nationen bezeichnen die Naturkatastrophe schon jetzt als Jahrhunderthochwasser. Wie weit die Schäden reichen, ist noch nicht abzusehen. Doch nicht nur Spinnen, sondern auch andere Tiere tauchen nun in den Siedlungen der Menschen auf. Besonders extrem ist es für die Bewohner von Sydney und der Ostküste, wenn die Spinnen sich auf Häuserwände, Zäune und Laternenmasten flüchten.
Spinnenplage: „ein Zeichen eines funktionierenden Ökosystems“
Ein Ökologe der Universität Sydney – Dieter Hochuli – sieht die Spinneninvasion als positives Signal der Natur. Er weißt, dass die Spinnen nicht erst seit dem Hochwasser präsent sind. Sonst allerdings nimmt man die schwarzen Krabbler nicht wahr, da sie sich eher versteckt halten. Für den Wissenschaftler ist die Spinnen-Invasion weniger Spinnenplage als vielmehr ein Naturphänomen, das von einem intakten Ökosystem zeugt.
Anders sehen es die Bewohner in den umliegenden Orten nicht – nur in Sydney, sondern bis weit ins offene Land hinein. In einem Interview mit dem australischen Sender ABC berichtete eine Anwohnerin, wie die Flutkatastrophe den Wasserpegel immer weiter ansteigen ließ. Dabei bildeten sich auf den hoch liegenden Stellen wie Zäunen wahre Spinnen-Knäuel. Die Augenzeugin spricht dabei von Tausenden von Tieren.
Dem Wissenschaftler pflichtete auch die Biologin und Spinnenexpertin Lizzy Lowe bei. Auch für sie ist der Vorgang keine Spinnenplage, sondern die legitime Flucht der Achtbeiner, in der sie sich nicht von Schafen und Hunden unterscheiden. Für Lizzy Lowe sind Spinnen lediglich eine heimische Tierart.
Video: Spinnenplage nach schweren Regenfällen und Überschwemmungen
Im Video kann man die weitreichenden Spinnennetz-Teppiche sehen, welche fast das ganze Land überziehen. Die Bilder stammen aus Victoria, das auch oft von Spinnenplagen betroffen ist.
Das größte Spinnennetz der Welt
Im Jahr 2016 gab es schon einmal eine Spinnen-Flucht, bezeichnenderweise ebenfalls in Australien. Schauplatz des Geschehens war die australische Insel Tasmanien. Die Insel Tasmanien wird in australisch-englisch häufig Tassie genannt, hieß bis Ende 1855 Van-Diemens-Land und ist eine Insel am östlichen Rand des Indischen Ozeans, die immerhin 240 km südlich des australischen Festlands liegt.
Im Jahr 2016 retteten sich wie jetzt Tausende von Spinnen auf Bäume, um den Fluten einer Überschwemmung zu entfliehen. Auf den Bäumen begannen die Spinnen mit dem Weben ihrer Netze. Schon nach kurzer Zeit schlossen sich die einzelnen kleinen Netze zum vermutlich weltgrößten Spinnennetz zusammen. Die Bilder davon gingen damals um die Welt.